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Pressemitteilung Strafunmündigkeit

PM 20.03.2023 Strafunmündigkeit


Warum musste Luise sterben?

Individuelle affektive Durchbrüche mit Todesfolge sind kein Argument für Gesetzesänderungen.
Strafunmündig bleibt nicht straffrei! Zu einem grundsätzlichen Missverständnis: Instrumente der Jugend(gerichts)hilfe reichen aus - sollten aber auch verbessert werden.

Alle öffentlich kommunizierten Hypothesen über die Motive der jungen Täterinnen, die den Tod von Luise in Freudenberg zur Folge hatten, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Kinder töten können. Von manipulierten und missbrauchten Kindersoldaten, über Amok laufende Jugendliche bis hin zu virtuellen Tötungsexzessen bei Videospielen: der Tod und das Töten gehören leider heute zum Leben von Kindern dazu. In der medialen wie viralen Welt sterben und töten Kinder und werden animiert, dies mitzutun.

Anlässlich der dramatischen aber seltenen Ausnahmefälle ist es nicht zielführend die Strafmündigkeit zur Disposition zu stellen. Aus psychotherapeutischer Sicht sollten andere Konsequenzen diskutiert werden: Wie kommt es zu solchen grausamen Taten und wie können sie verhindert werden?

Moralvorstellungen zu lernen ist ein wesentliches Handlungsfeld des mittleren Kindesalters, das nur durch gelebte und erlebte Empathie und Einfühlung in andere gelingen kann. Von großer Bedeutung ist dabei die Begleitung von Kindern durch erwachsene Bezugspersonen. Affektüberflutungen, wie sie sich über Gewaltausübung entladen können, sind nur zu verhindern, wenn Eltern in ihrer Erziehungsfähigkeit gestärkt werden. Wir brauchen starke Mütter, engagierte Väter und Großeltern, die nicht ohnmächtig vor den Bedürfnissen und Erwartungen von Kindern kapitulieren. Respekt vor dem Wohlbefinden und Leben anderer kann nur wachsen, wenn es belastbare präsente Bezugspersonen gibt, die in der Lage sind, entwicklungspsychologisch notwendige Größenphantasien angemessen und klar zu begrenzen. Dabei sind Familie und soziales Umfeld auch in ihrer Rolle als Vorbild zu verstehen, sowohl hinsichtlich der eigenen Einstellung zu Gewalt und Medienkonsum als auch in Bezug auf Konfliktaustragung und Lösungsperspektiven. Wichtig erscheint, dass Gewaltpräventionsprogramme in Grund- und weiterführenden Schulen verpflichtend eingeführt werden. In diesem Präventionsbereich ist auch die Expertise der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie wichtig.

Eigentlich verbietet das Leiden der Familie von Luise, mehr über die Täterinnen zu sprechen als über das Opfer. Luise hat leider keine Lebensperspektive mehr, aber die beiden anderen Mädchen sehr wohl. Dafür gibt es strukturell angemessene Instrumente der Jugendhilfe, die aber sicherlich noch qualitativ verbessert werden können, wenn es um die Betreuung und Begleitung in solchen Ausnahmesituationen geht. Dabei müssen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen einbezogen werden.

Für Nachfragen Dr. Inés Brock-Harder, 0170 36 32 36 5

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