Rezensionen

Videotherapie

Gelesen von Saskia Wabnitz

In dem vorliegenden Buch beschreibt die Autorin Ursula Rasch, wie sie sich zu Beginn der Coronapandemie mit viel Unsicherheit, mit vielen Fragen und Zweifeln, subsumiert in dem Gedanken, dass Psychotherapie per Video vielleicht besser als nichts sei (S. 13) darauf einließ, Patientinnen und Patienten, die nicht persönlich in die Praxis kommen konnten, per Video zu behandeln.

Was für die Autorin eher als Versuch begann, entwickelte sich im Lauf der Zeit immer faszinierender, an dieser Entwicklung möchte Ursula Rasch die Leserinnen und Leser teilhaben lassen.

Ursula Rasch hat Philosophie und Sozialpädagogik studiert, ist approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und niedergelassen in eigener Praxis in Thannhausen.

Sie gliedert das Buch in zwei Teile, im ersten Teil setzt sie sich mit der Bedeutung der Digitalisierung für Kinder und Jugendliche auseinander und beschreibt die digitale Welt als wichtigen Erlebensraum von Kindern und Jugendlichen. Sie ist der Meinung, dass es besser sei, wenn Kinder und Jugendliche von Erwachsenen in diesem Erlebensraum begleitet werden, als diese neue Welt, deren Entwicklung längst nicht mehr aufzuhalten ist, zu verteufeln, zu vermeiden oder zu pathologisieren.

Eine Skizze der aktuell geführten Diskussion über Psychotherapie via Video schließt sich an, außerdem widmet sie sich rechtlichen und technischen Voraussetzungen für die Durchführung von Videotherapie.

Im zweiten Teil beleuchtet die Autorin die für psychodynamische Psychotherapie wichtigsten Wirkfaktoren und überträgt diese ausführlich, mit markanten, sehr gut mit der Theorie verknüpften und spannend zu lesenden Fallbeispielen auf Psychotherapie per Video. Es wird deutlich, wie klar der therapeutische Rahmen in diesem Setting gestaltet werden muss, und ist spannend mit zu erleben, wie sich der therapeutische Raum via Video zwischen Therapeutin und Patienten entfaltet. Die Autorin beschreibt anschaulich und in vielen Facetten das Entstehen der therapeutischen Beziehung, und man bekommt als Leser*in mit, wie facettenreich dies in Therapie per Video möglich ist. Sie nimmt einen mit ins Übertragungsgeschehen, das erlebbar beschrieben ist, sie lässt Abwehr, Wider­stände und ihr eigenes Ringen darum spüren und die Entwicklung der jeweiligen Kinder und Jugendlichen wird deutlich.

Auch Elternarbeit und Therapiebeendigung beschreibt Ursula Rasch, es wird dabei immer wieder erkennbar, dass die Autorin sich mit jedem neuen Schritt intensiv beschäftigt und alle Schritte sehr genau reflektiert.

Spannend war für mich auch, zu lesen, wie sich der sog. „Kanalverlust“ (S. 33), die Abwesenheit von all der Sinnlichkeit, die uns sonst in den Therapiestunden begegnen, auf die Stunde auswirkt, wie wichtig das genaue Wahrnehmen von Mimik und Stimme werden, mit welch großer Aufmerksamkeit die Therapeutin während der Stunden präsent sein muss, um all das, was einen therapeutischen Prozess ausmacht, mitzube­kommen. Auch mit Grenzen von Videotherapie setzt sich die Autorin auseinander.

Alles in Allem wird deutlich, dass diesem neuen Setting wesentlich mehr zugetraut werden kann, als man (und auch die Autorin) anfangs annahm.

Ein spannendes Buch, das Kritiker und Befürworter von Videotherapie gleichermaßen ansprechen dürfte, und das – aufgrund der ausführlichen, facettenreichen und gründlichen Beschäftigung mit therapeutischen Wirkfaktoren auch für Ausbildungskandidat*innen geeignet ist.

Autorin: Ursula Rasch
Videotherapie – praktische Einblicke in die psychodynamische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2023
38,00€ (D) 195 Seiten
ISBN 978-3-17-041856-1