Rezensionen

Unsicherheit. Globale Herausforderungen psychologisch verstehen und bewältigen

Gelesen von Dr. Anja Lorenz

Zusammenfassend kann ich sagen, dass es mir Freude gemacht hat, diesen Fach­band zu lesen und dass ich mich durch die Auseinandersetzung mit der Thematik Unsicherheit in Zeiten globaler Herausforderungen im Umgang mit Unsicherheit sicherer fühle. Insofern hat das Anliegen der Autor*innen, einen kompetenteren Umgang mit Unsicherheit vermitteln zu wollen, funktioniert. Voraussetzung dafür sei die Entscheidung selbst zu denken – dies wollen Lermer und Hudecek als Appell an die Lesenden verstehen.

Das mit 188 Seiten überschaubare Fachbuch zzgl. 18 Seiten mit Quellenverweisen, widmet sich in 6 Kapiteln verschiedenen Bereichen des aktuellen Lebens in unserer westeuropäischen Gesellschaft, sowie einem abschließenden Kapitel mit Vorschlägen für einen kompetenteren Umgang mit Unsicherheit.

Die Autor*innen beginnen mit einem Kapitel zur `Pandemie´, damit einhergehend schließt sich ein Folgekapitel zu `Politik, Führung und Kontrolle´ an. Sie greifen das große Thema Geld im Kapitel `Nullzinsen, Kryptowährungen und Inflation´ auf, sowie das Feld von `Fake Numbers, Fake Stories und Fake News´ und schließen mit einem Blick auf die `Arbeitswelt 4.0´.

Es gibt sicher noch weitere Themenkomplexe, die gesellschaftlich relevant sind und Unsicherheitskompetenz erfordern. Aber es geht möglicherweise nicht darum, diese so vollständig wie möglich abzuarbeiten, sondern es genügt, hier exemplarisch einige Bereiche zu explorieren, um die Herangehensweise der Autor*innen deutlich zu machen und die Fähigkeit selbst zu denken zu stärken.

Besonders anschaulich machen den Band konkrete Alltagsbeispiele, mit denen die Theorien gefüttert und nachvollziehbar werden.

Systematisch demontiert wird eine mögliche (Allmachts-)phantasie von Kontrolle für Umweltzustände, für die keine Eintrittswahrscheinlichkeit bekannt ist´, die De-finition für Unsicherheit, auf die die Autor*innen ihr Buch gründen.

Lermer und Hudecek weisen sowohl in der Einleitung als auch in den Schlussworten darauf hin, dass Unsicherheit und ein kompetenter Umgang damit Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft mit freiheitlichen Grundwerten bzw. unabdingbar für deren Fortführung, ist. Ich verstehe diese Hinweise als Aufruf und Mahnung, aber auch als Qualitätsmerkmal einer zeitgemäßen Psychologie, die sich nicht nur dem individuellen, sondern ebenso dem gesellschaftlichen Diskurs verpflichtet fühlt.

Bei allem Lob an die Autor*innen gibt es doch einen für mich kritischen Punkt, nämlich die nicht gestellte und bearbeitete Frage danach, wie die Menschen zu erreichen sind, die keinen Zugang zu Bildung haben, weil sie sich für sie viel existenzielleren Themen widmen müssen und weil ihnen unsere Gesellschaft den Zugang zu Bildung oftmals verwehrt.

Lermer, Eva / Hudecek, Matthias
Erschienen im Ernst Reinhard Verlag (2022)
ISBN 978-3-49703-144-3