Tina Tannenbaum verliert ihre Wurzeln
Gelesen von Michael Becker
Die kleine Tanne Tina wächst im Tannenwald mit ihrer Mutter und ihrer Schwester auf. Wir erleben mit ihr die Wechsel der Jahreszeiten und teilen ihre Freude an den Tieren und mit ihrem besten Freund, den „krummen Kasimir“. Sie wächst zu einer großen und geraden Tanne, ihre Mutter ist sehr stolz auf sie. Eines Tages nehmen die Waldarbeiter ihre Mutter und ihre Schwester mit, damit sie ihre Aufgabe als Weihnachtsbäume erfüllen und Kinderaugen zum Leuchten bringen können. Tina steht nun allein und schutzlos da, dem eisigen Wind ausgeliefert, sie ist traurig.
Als eines Tages ein Sturm aufkommt, wird sie heftig durchgeschüttelt und weiß nicht wie ihr geschieht, es ist keine Mutter mehr da, die sie schützt.
Der Sturm entreißt sie aus dem Boden und entwurzelt sie. Der liebe Förster richtet Tina wieder auf und gräbt sie wieder in den Erdboden ein. Die Zeit vergeht und Tina wird selbst zur Mama, sie kümmert sich liebevoll um ihre kleinen Tannenkinder. Als jedoch wieder ein Sturm aufzieht, muss sich Tina krampfhaft im Boden festhalten, weil sie sich immer noch wackelig fühlt und zu große Angst hat wieder umzufallen. Dabei kann sie ihre Kinder nicht schützen. Zum Glück weiß der Förster Rat und hilft ihr.
Einfühlsam wird die Geschichte von Tina Tannenbaum geschildert, die von den wortwörtlichen Stürmen des Lebens hin- und hergeworfen wird. Die Illustrationen von Lena Tamini sind ungewöhnlich, haben eine eigentümliche Lebendigkeit und geben dem Text eine weitende Dimension. Man kann den Lebensweg von Tina, ihre Sehnsüchte und Hoffnungen gut nachfühlen und sich mit der Heldin des Buches identifizieren. Die Schwierigkeiten, die Tina als Mutter im Umgang mit ihren Kindern angesichts eines neuerlichen Sturms hat, werden in diesem Kontext sinnhaft und verstehbar, ihre Probleme wirken nicht pathologisch oder gar „verrückt“; so können psychische Krisen und Erkrankungen entstigmatisierend erzählt werden. Der anschließende Fachteil von Daniel Busch, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, ist komplementär zur Geschichte von Tina Tannenbaum, fokussiert er vor allem die Kindersicht, deren Bedürfnisse und deren Reaktion, falls es zu einer psychischen Erkrankung eines Elternteils kommt. Mit viel Empathie und praktischer Erfahrung zeigt er weitere konkrete Wege und Schritte für Eltern und Angehörige auf, ohne sich im Detail zu verlieren, sondern empathisch und wertfrei. Er nimmt einen quasi an die Hand, sodass Betroffene und Angehörige ermutigt werden, ihre Herausforderungen und Schwierigkeiten im Leben zu meistern.
Das ist ein Buch, dass Ärzte und Therapeuten auf jeden Fall im Wartezimmer liegen haben sollten!
Autorin: Franca Weibel
Illustration: Lena Tamini
Mabuse-Verlag, geb. 21,00 € (D)
Ab 4 Jahren
Auflage 2021
52 Seiten
21,1x1x21,2 cm
ISBN 978-3- 863215591