Rezensionen

Schwere Zeiten im Wunderwald

Ein Kinderfachbuch für Geschwister von Kindern mit schwerer Erkrankung oder Behinderung.
Gelesen von Inés Brock-Harder

Die Autorin versucht die beiden Themen Behinderung und schwere Krankheit in einer Geschichte zu erzählen, um damit Geschwistern zu helfen besser mit der Situation umgehen zu können. Das könnte sich aufgrund der Unterschiedlichkeit der Themen als zu hoher Anspruch erweisen.

In der Geschichte gibt es vier verschiedene Tierkinder, die gemeinsam aufwachsen im Wald. Dem Reh passiert etwas, das zunächst im Dunklen bleibt. Die Freude/Geschwister müssen warten und die Unsicherheit aushalten.

Der Hase reagiert mit Verwirrung, Angst und einem Alptraum und hat das Erlebnis nicht ins Krankenhaus zu dürfen. Eine Eule stellt zwischendurch Fragen an die Leser*in und ein möglicher Tod wird gleich zu Beginn zum Thema. Es werden unterstützende Strategien gezeigt und die Schild­kröte als Gesprächspartnerin reduziert die Angst. Das Fuchskind zeigt, wie wichtig eine Berührung/Umarmung sein kann.

Alle drei lenken sich ab mit einem schönen Picknick – dies ist gut gesetzt um zu zeigen, dass Spaß trotzdem sein darf und wichtig für Kinder ist. Der Fuchs reagiert mit Schuldgefühlen, Konzentrations­schwierigkeiten und Rückzug, auch dies kommt vor. Wieder kann die Schildkröte als Zuhörerin hilfreich sein um gemeinsam etwas Schönes zu erleben.

Die Waschbärin reagiert mit Wut, Eifersucht und Aggression – auch das ist plausibel. Weil die Mutter Reh vom kranken Rehkind in Anspruch genommen wird, fühlt sich die Waschbärin nicht gesehen. Das Reden mit der Schildkröte wird immer als Hilfe empfunden, auch wenn sich die Zerstörung nicht gut anfühlt, gemeinsam wird wieder aufgebaut – Gemeinschaftsgefühl entsteht. Zwischendurch versucht die Eule auf einer Metaebene mit der Leser*in zu verstehen, was in den Tierkindern vorgeht.

Dann kommt das kranke Reh nach Hause, die Party wirkt als sei alles wieder ok, als sei die Krankheit vorbei, das wäre unrealistisch bei behinderten, chronisch kranken oder lebenszeitverkürzend erkrankten Geschwistern.

Der zweite Teil erklärt die Hintergründe und dann gibt es viele Ausfüllseiten, die schön gestaltet sind, die man sicher als Bezugsperson mit dem lesenden Kind gemeinsam gestalten kann.

Der Abschnitt zu Gefühlen ist wertvoll für Eltern, insbesondere um die ambivalenten Gefühle der Geschwister ernst zu nehmen und zu erkennen.

Das Buch enthält einen großen Teil mit Hinweisen für Eltern, dies erwartet man erst mal nicht bei einem Kinderfachbuch. Auch Fachkräfte werden angesprochen, darin finden sich wertvolle, knapp gehaltene und präzise Empfehlungen.

Insgesamt eine etwas überladene und inkonsistente Aufarbeitung des zu breit gefassten Themas. Die Gebrauchsanweisung, wie man das Buch mit dem Geschwisterkind lesen soll, macht alles noch komplizierter. Die Erklärungen sind wert­voll, die Geschichte selbst eher für kleinere Kinder, die Zwischenfragen und der Abschlusskommentar ans Kind eher für ältere Geschwister geeignet.

Autorin: Leonie Baltruweit
Mabuse-Verlag 2023, 24,00 € (D)
Bestellnummer: 202629
ISBN: 9783863216290