Rezensionen

Hanno und der Notfall

Hanno und der Notfall

Gelesen von Marion Schwarz

Der Notfall für Hanno ist der unerwartete Einzug seiner Klassenkameradin Pien bei ihnen zu Hause, zudem er dafür sein Zimmer abgeben muss und vorübergehend bei seinem älteren Bruder unterkommt. Er mag sie auch gar nicht, findet sie, wie viele Jungen in seinem Alter, einfach „total komisch, ungeschickt, dumm, nervig und hässlich“. Er fragt sich, warum gerade er das tun soll und kann mit der Antwort seiner Mutter, dass es eben ein Notfall sei, weil es der Mutter von Pien nicht gut gehe, erst mal wenig anfangen. Er ärgert sich, weil auf Pien so viel Rücksicht genommen wird, beim Essen, beim Autofahren und überhaupt. Noch nicht mal Fahrradfahren kann sie, weil angeblich ihrer Mutter das zu gefährlich war.

Das Buch beschreibt schön den Annäherungsprozess der beiden, ohne dass sie gleich dicke Freunde werden. Dafür sind beide eben doch sehr unterschiedlich. Hanno bastelt gern mit Metallschrott merkwürdige Phantasietiere, während Pien Gedichte schreibt. Aber beide entwickeln eine Neugier auf den Anderen, die gut tut.

Leider wird die im Raum liegende psychische Erkrankung der Mutter nur sehr vage ausgedrückt, dass sie eben viel müde sei und Ruhe brauche. Da hätte ich mir durchaus mehr Erklärung und Aufklärung, auch für die Kinder, gewünscht. Auch dass am Schluss noch der fehlende Vater von Pien, angeblich ein polnischer Autor, der aber verschwunden ist, Raum einnimmt, und dann noch die Mutter des Fahrradmechanikers gestorben ist, überlädt das Buch etwas – was aber grundsätzlich das Anliegen der Autorin, Annejan Mieras, die Situation von Kindern psychisch kranker Eltern anzusprechen, nicht mindert.

Die Gedichte im Buch sind tatsächlich von einer jungen Autorin, Pien van Putten, die bei dem Gedichtwettbewerb ihrer Schule den ersten Preis gewonnen hat.

Hanno und der Notfall, Annejan Mieras, mit Illustrationen von Linde Faas, 2022, Gerstenbergverlag, ISBN 978-3-8369-6106-6