Nikolaus und Weihnachtsmann: Darf man seine Kinder anlügen?
Nikolaus und Weihnachtsmann_ Lügen Eltern ihre Kinder damit an_ _ NOZ
Einige Eltern wollen ihre Kinder nicht mit Inszenierungen zum Nikolaus und dem Weihnachtsmann irreführen. Droht ein Vertrauensbruch? Eine Kindertherapeutin gibt Tipps, wie Eltern mit dem Thema umgehen können, was sie lassen sollten – und was sie sagen können, wenn Kinder das Spiel durchschaut haben.
Lügen Eltern Kinder an, wenn sie ihnen vom Nikolaus und Weihnachtsmann erzählen? Dr. Inés Brock-Harder, Vorsitzende des Bundesverbands für Kinder- und Jugendpsychotherapie e.V., ordnet im Interview ein, was Eltern dazu wissen sollten.
Frau Dr. Brock-Harder, was halten Sie als Therapeutin davon, wenn Eltern ihre Kinder glauben lassen, dass es Nikolaus, Weihnachtsmann und Osterhase gibt?
Das ist bei kleinen Kindern völlig in Ordnung. Es geht in erster Linie um die Befriedigung eines spirituellen Bedürfnisses. Bei Kindern zwischen drei und vier Jahren spricht man in der Entwicklungspsychologie von der magischen Phase. Das betrifft Allmachtsfantasien, wie zum Beispiel, dass man Tote wieder zum Leben erwecken kann. Oder sie glauben, dass die eigenen Eltern allmächtig sind und alles verändern können. Deshalb ist es völlig okay, in dieser Altersphase diese Fantasien zu bedienen. Die Kinder kommen zwischen vier und fünf Jahren oft selbst dahinter, dass weder sie selbst noch ihre Eltern allmächtig sind – und dass es keinen Weihnachtsmann gibt.
Dann auch das volle Programm, samt Rute?
Das ist der einzige Punkt, der nicht harmlos ist: Einen drohenden oder bestrafenden Weihnachtsmann sollten Eltern nicht in die Inszenierung einbauen. Und Eltern sollten das Kind nicht unter Druck setzen, zum Beispiel durch Sätze wie: „Du kriegst deine Geschenke nur, wenn du ein Gedicht aufsagst“.
Teilweise lehnen Eltern die Geschichten vom Nikolaus und Weihnachtsmann ab, weil sie ihre Kinder nicht anlügen möchten und einen Vertrauensbruch fürchten. Ist diese Sorge berechtigt?
Ich würde das nicht in den Bereich der Lügen hineinnehmen. Es geht um die Aufrechterhaltung einer Fantasie, eines Glaubens. Das geht mit zunehmendem Alter vorbei. Ein psychisch gesundes Kind wird das als Abschied von einer schönen Fantasie empfinden, nicht als Zusammenbruch einer Welt.
Wie sollten Eltern reagieren, wenn das Kind die Inszenierung durchschaut und die Eltern fragt, warum sie es angelogen haben?
Ehrlichkeit ist immer am besten. Man könnte dem Kind sagen, dass man dieses Ritual selbst schön findet und es gemeinsam feiern wollte. Und Eltern könnten das Kind fragen, ob es den Brauch so weitermachen mag oder nicht. Mit Rollenspielen sind Kinder eh total vertraut. Das ist nichts Dramatisches. Ich finde es eher bereichernd, wenn das Kind im Realitätscheck ankommt.
Was können Eltern tun, wenn andere Kinder oder Erwachsene die Illusion verderben und daran glaubenden Kindern sagen: Den Weihnachtsmann gibt es gar nicht?
Da kann schon eine Art Verunsicherung entstehen – das ist aber nichts Existenzielles. Es ist dann dem Kind überlassen, ob es den Glauben aufrechterhalten möchte. Das Kind kann sich ja auch entsprechend wehren und dagegenhalten, dass den Weihnachtsmann sehr wohl gibt. Es geht darum, ein Ritual zu schaffen, das den Kindern ein schönes Gefühl bereitet. Wegen dieses magischen Moments halten ältere Kinder den Glauben an Nikolaus oder Weihnachtsmann auch noch aufrecht, obwohl sie schon verstehen, dass es diese Figuren nicht wirklich gibt. Eltern schaffen durch Rituale an Feiertagen ein Zugehörigkeitsgefühl und stärken den Familienzusammenhalt.
Hier finden Sie das mit Dr. Inés Brock-Harder geführte Interview Online