Sorgerechtsstreit: Was das mit der Psyche von Kindern macht
Sorgerechtsstreit Was das mit der Psyche von Kindern macht
Berlin. Eine Expertin erklärt, was es für Kinder bedeutet, wenn sich die Eltern wie im Fall der Steakhaus-Erben ums Sorgerecht streiten. Ein Sorgerechtsstreit ist für Kinder und Eltern eine belastende Erfahrung. Ein Fall wie bei der Steakhaus-Erbin Christina Block und ihrem Ex-Mann Stephan Hensel dürfte dennoch zur absoluten Ausnahme zählen. Die Kinder der beiden (10 und 13 Jahre alt) waren am Neujahrsmorgen aus der Obhut ihres Vaters mutmaßlich entführt worden, sind mittlerweile aber bei ihrer Mutter. Offenbar steckt ein Sorgerechtsstreit dahinter.
Die Kinder-Psychotherapeutin und Vorsitzende des Bundesverbands für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie e.V. Dr. Inés Brock-Harder erklärt, wie verstörend ein solcher Streit für das mentale Wohlbefinden von Kindern sein kann – und wie man sie am besten davor schützen kann.
Wie belastend ist ein Sorgerechtsstreit für die Kinder?
Dr. Inés Brock-Harder: Jede Trennung der leiblichen Eltern ist für die Kinder eine bittere Erfahrung, weil sie im Inneren und in ihrer Vorstellung ein romantisches und funktionales Liebespaar zusammenhalten wollen. Leider gibt es aber verschiedene Arten, wie eine Trennung dann gelebt wird. So gibt es zum einen kooperative Eltern, die gut miteinander auskommen und somit ein positives Bild an die Kinder vermitteln, an dem diese sich orientieren können. Auch der regelmäßige Wechsel des Aufenthaltsortes ist in der Folge dann meist kein Problem.
Und wenn die Eltern eine solche positive Beziehung nicht hinbekommen?
Brock-Harder: Es gibt auch strittige Elternpaare, und dazu gehört das Paar im vorliegenden Fall wohl, bei denen ein hohes Risiko für Verhaltungsstörungen der Kinder besteht, etwa geringer Selbstwert, selbstverletzendes Verhalten oder aggressive Impulsdurchbrüche. In der Altersphase, in der sich die Kinder derzeit befinden, entwickeln sie die Identifizierung des eigenen Selbst. Dabei werden wichtige Fragen für das Selbstbild definiert, zum Beispiel: Wer bin ich? Woher komme ich? Was ist für mich wichtig? Wenn das Bild derr Eltern nicht positiv besetzt ist, ist diese Identitätssuche mit Irritationen gespickt.
Der Vater der Kinder wurde im Zuge der Entführung wohl zusammengeschlagen, während die Kinder dies beobachteten. Wie wirkt sich so etwas auf die Psyche aus?
Brock-Harder: Gewalterfahrungen sind, auch wenn sie nur beobachtet werden, traumatisch und belastend für die Kinder. Besonders, wenn sie sich gegen die eigenen Eltern richten.
Wirken sich die Folgen eines Sorgerechtsstreits auch langfristig auf das psychische Wohlbefinden der Kinder aus?
Brock-Harder: Wir wissen aus der Forschung, dass Trennungserfahrungen immer bedeuten, dass es zu Folgeschäden kommen kann. Viel hängt dabei mit den Bewältigungsautomatismen zusammen. Wenn man bis ins Alter von sieben, acht oder neun Jahren eine gute, funktionale Elternbeziehung erleben konnte, wirkt das wie eine Art Schutzfaktor für das spätere psychische Wohlbefinden. Man ist in den Verarbeitungsmöglichkeiten einer solchen Erfahrung einfach schon reifer. Kleinere Kinder sind einer Trennung hilfloser ausgeliefert.
Werden dadurch im späteren Leben auch romantische Beziehungen beeinflusst?
Brock-Harder: Die Erfahrung von hochstrittigen Eltern kann dazu führen, dass man selbst Probleme hat, eine funktionierende Partnerschaft zu führen. Man konnte kein positives Modell am Beispiel seiner Eltern verinnerlichen und scheitert somit an der eigenen Biografie.
Wie wichtig ist der Kindeswille bei der Frage, bei wem das Kind leben möchte?
Brock-Harder: Im vorliegenden Fall sollte der Wille der Kinder unbedingt eingeholt werden. Wichtig ist aber, dass man das Elternentfremdungssymptom nicht unterschätzt. Das kann zum Beispiel dann vorliegen, wenn ein Elternteil den anderen ständig schlechtmacht und somit beeinflusst, wo das Kind vermeintlich leben möchte. Dann muss eventuell mit psychologischen Gutachten gearbeitet werden.
Die Kinder von Frau Block wollen angeblich beim Vater leben und nicht bei der Mutter. Ist es natürlich, wenn die Kinder in einem schwierigen Trennungsstreit Groll gegen einen Elternteil hegen und sich auf eine Seite schlagen?
Brock-Harder: Betroffene Kinder befinden sich dabei in einer Art Loyalitätskonflikt. Kinder wollen ihre Eltern lieben und wünschen sich, dass der Vater die Mutter respektiert und umgekehrt. Im Falle einer Trennung steht man so vor einem Dilemma. Man riskiert Liebesentzug der Mutter, wenn man sich auf die Seite des Vaters schlägt. Um das zu vermeiden, ist ein positiver Umgang der Eltern mit der Trennung so wichtig.
Wie kann man Kinder bestmöglich vor psychischen Problemen im Zuge eines Sorgerechtsstreits schützen?
Brock-Harder: Das ist grundsätzlich eine herausfordernde Aufgabe. Zuallererst muss man anerkennen, dass die Paarebene mit dem eigenen Partner nicht funktioniert hat und dass man neben der Partnerrolle auch noch die Elternrolle ausfüllt. Das sind zwei verschiedene Dinge. Wenn man das auseinanderkriegt, kann man den Kindern ein positives Selbstbild mitgeben.